Am G Punkt - kreatives Spiel mit dem Produkt Sex Sex sells. Die Erotikbranche ist heiß auf die Rezession. Warum?
Jahrzehntelang sorgte das Geschäft mit der Lust für klingende Kassen, das Produkt „Sex“ galt seit jeher als krisensicher und hochprofitabel. Doch seit den Anfängen der Wirtschaftskrise prägen sinkende Umsätze, mangelnde Qualität und kostenlose Konkurrenz aus dem Internet eine der vormals geschäftstüchtigsten Branchen. 2006 setzte die Erotikbranche weltweit noch 56 Millionen Dollar um, davon allein in den USA 20 Millionen Dollar. 2009 suchte die amerikanische Porno-Industrie um staatliche Finanzhilfe an. Selbst Hugh Hefner sortierte aus Krisengründen seine Bunnies aus, statt weiblichen Rundungen ziehen auf seiner Mansion heutzutage Gerüchte über die Einstellung seiner beliebten Playboy-Party die Runde. Finanziell mag vorerst eine Ejakulation der Branche ausbleiben, aber geschäftstüchtige ÖsterreicherInnen setzen in Zeiten der Rezession auf Kreativität. Smarter Sex sells „Halten Sie mich bitte nicht für pervers, wenn ich Ihnen sage, dass die in diesem Jahr stattgefundene Insolvenzflut von österreichischen Unternehmen und dem damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen einen positiven Einfluss auf unser Geschäft hatte“, verlautbart Art-X-Geschäftsführer Wilhelm Rendlinger. Seine simple Begründung: „Menschen ohne Beschäftigung waren und sind frustriert. Bei uns haben jene Menschen kleine Freudenbringer gefunden und sich dadurch den Alltag versüßt.“ Die Anerkennung des geänderten Kaufverhaltens der Kunden und der veränderten Käuferschicht an sich scheinen zurzeit für große Erotikstores und kleine Sexläden ein erfolgreicher Weg aus der verkehrsarmen Sackgasse zu sein. Darauf bauen nicht nur Unternehmerriesen wie Beate Uhse – ihre neue Zweitmarke „Mae B.“ zielt exklusiv auf Frauen mit dicker Geldbörse ab – oder Art-X, der sich mit einem stolzen Frauenanteil von 51,4 Prozent abseits des Sexshop-Schmuddelimages rühmt. Die steirische Jungunternehmerin Kathrin Pfeiffer setzt mit ihrem exklusiven Online-Shop „La Petite Mort“ und buchbaren Sextoyparties ein kreatives Zeichen. „Spezielle Premium-Shops sind die Zukunft, Erotik-Discounter werden nicht überleben“, gibt Pfeiffer zu Protokoll. Ihre Zielgruppe sei vorwiegend weiblich im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, aber auch Frauenliebhaber an sich fänden den Weg in ihrem Shop. „Die neue Käuferschicht legt Wert auf hohe Qualität und ausgefallene Design der Produkte sowie den Einkauf in einem ansprechenden Ambiente.“ Lifestyle statt Schmuddelecke Mit der Fortlauf der Krise scheint die Kreativität seitens der Unternehmer in der Erotikbranche zurückgekommen zu sein. Neben Kathrin Pfeiffer, die mit kleinen Lustbringern wie der Analkette „Felix“, Noppenglasdildos, Vibratoren in Seepferdchenform und Katzenkopf-Peitsche anspruchsvolleres Publikum anspricht, schwimmen nun auch steirische Thermen auf die Welle der Erotik als Wellnessgut. Mit erotischen Minibars am Zimmer möchte man neben den Thermalquellen für zusätzliche Entspannung sorgen. Judith Rabenstein, Geschäftsführerin der Wiener Luxus-Erotik-Boutique „Magnolias“, beliefert diverse Hotels in der Thermenregion. Rabensteins Erfolgsrezept: „Inspiration soll im Kopf stattfinden.“ Nacktheit und pornographische Darstellungen räume man bei Magnolias keinen Platz ein. Lieber Austern und Champagner bei der exklusiven VIP-Beratung.. Lifestyle statt Schmuddelporno ist laut Rabenstein die Rezeptur für einen künftigen, erfolgreichen Wirtschaftstrieb innerhalb der Branche. „Der herkömmliche Handel wird aufgrund der steigenden Nachfrage und für diese Branche nicht üblichen hohen Margen mehr und mehr auf erotische Produkte setzen“, zeigt sich auch Pfeiffer überzeugt. Popocreme zwischen Zahnbürsten Die Parfümerie-Kette Marionnaud ist bereits hellhörig geworden und hat sich seit Anfang dieses Jahres entschieden, mit der Produktlinie „YesforLove“ im Programm den Nischensektor Erotik abzudecken. Die anregenden Elixiere und intimen Pflegeprodukte wie sinnliche Popocreme, Intimtücher, Luxuskondome und Liebesvitamine sollen mehr Spaß und Leichtigkeit ins Liebesspiel bringen. Die Rezepturen sind wie bei Kosmetikprodukten mit äußerster Sorgfalt ausgewählt. Der Gedanke dahinter: Wer beim Kauf von Duschbad und Lippenstift mit Erotikprodukten in Berührung kommt, verliert die Scheu und wagt den Testkauf. Elektronikkonzern Philipps tut es Marionnaud gleich. Das Unternehmen, das bislang unverfängliche Massagegeräte anbot, testete in Großbritannien drei Vibratorentypen, die über den klassischen Einzelhandel verkauft werden sollen. Um der Krise zu trotzen, schwenkt die Branche allerdings merklich von schneller Befriedigung zu bewusstem Lifestyle-Genuss. Weil Sex immer ein menschliches Grundbedürfnis bleibt. Autorin: Mag.a Tina Veit |