Soziopathen - von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde
Soziopathen - von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde
Soziopathie ist eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Betroffene empfinden kaum Mitgefühl für andere, keine Reue für Verhaltensübertretungen und erscheinen so kalt und gewissenlos. Der Umgang mit Soziopathen ist für Mitmenschen oft schwierig, doch Wissen schützt.
Soziopathen - von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde
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Soziale Wesen

Wir Menschen sind vielfältig und verschieden, doch wir haben dieselben Grundbedürfnisse, um zu überleben. Als soziale Wesen haben wir unter anderem den Wunsch nach Anerkennung, Liebe, Freundschaften. Durch die Beziehungen zu anderen Menschen können wir unsere Anteilnahme zeigen, uns gegenseitig helfen, voneinander lernen, für einander da sein, ob im privaten oder im beruflichen Bereich. Doch einige Menschen fallen durch ein genau gegenteiliges Verhalten auf. Sie verletzen ihre Mitmenschen verbal oder auch körperlich, Lügen, schieben die Schuld immer auf die anderen und merken dabei nicht einmal, was sie da tun. Wenn dieses Fehlverhalten besonders ausgeprägt ist, spricht man von einer dissozialen oder antisozialen Persönlichkeitsstörung. Auch die Ausdrücke Psychopathie und Soziopathie werden in diesem Zusammenhang verwendet.

Antisozial und reuelos

Wie jemand ist, die Wesensart, der Charakter, macht die Persönlichkeit aus. Antisozial werden diese Persönlichkeitsstörungen deshalb bezeichnet, weil Betroffene nicht in der Lage sind, Reue dafür zu empfinden, was sie anderen angetan haben und auch kein Mitgefühl empfinden. Über die Entstehung und Ursachen von Persönlichkeitsstörungen wird laufend geforscht. Es handelt sich wahrscheinlich um eine „mehrschichtige Entstehungsweise“, bei der sowohl erbliche und hirnorganische Faktoren, als auch die Sozialisation eine Rolle spielen können. Bis zu 70% der Leute in Suchtbehandlungszentren und Gefängnissen sollen eine solche antisoziale Persönlichkeitsstörung haben, bei Gewaltstraftätern seien es bis zu 81%. Aber man kann überall auf „Menschen ohne Gewissen“ treffen. Oft erscheinen sie als besonders charmant und einnehmend, man vertraut ihnen und wird irgendwann maßlos enttäuscht. Ob beruflich oder in der Familie, es ist niemand davor gefeit, „Opfer“ eines Soziopathen zu werden. Es sollte nicht darum gehen, einen gewissen Prozentsatz von Menschen als „böse“ darzustellen (in der „westlichen Welt“ seien 3-4% der Männer und 1% der Frauen betroffen), wie es in manchen Büchern und Artikeln über Soziopathen oft geschieht. Wichtig ist, zu wissen, dass es diese Persönlichkeitsstörungen gibt und woran sie zu erkennen sind. Manche ExpertInnen gehen davon aus, dass derartige Charakterstörungen nicht therapierbar sind, weil es den Betroffenen an der Einsicht fehlt, dass sie überhaupt Probleme haben.

Psychopathen

Vor allem im angelsächsischen Raum hat sich der Begriff der „psychopaths“ gehalten. Der kanadische Psychologe Robert D. Hare hat mit seinem Team eine Psychopathie-Check-Liste (PCL) entwickelt. Der forensische Psychologe Hare sieht Psychopathen als besonders stark ausgeprägte Untergruppe dissozialer Persönlichkeiten, bei denen es oft zu Gewaltstraftaten kommt. Doch Psychopathen sind nicht immer kriminell oder auf den ersten Blick zu erkennen.

Kriterien der Psychopathie-Checkliste sind unter anderem:

Trickreich sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme, erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl, Stimulationsbedürfnis (Erlebnishunger) bei ständigem Gefühl der Langeweile, krankhaftes Lügen, betrügerisch-manipulatives Verhalten, Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein, oberflächliche Gefühle, Mangel an Empathie (Einfühlungsvermögen) bis zur Gefühlskälte, parasitärer Lebensstil ("gnadenloser Ausnutzer"), unzureichende Verhaltenskontrolle, Promiskuität (Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern), frühe Verhaltensauffälligkeiten, Fehlen von realistischen, langfristigen Zielen, Impulsivität (spontan bis unkontrolliert), Verantwortungslosigkeit, mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen, viele kurzzeitige partnerschaftliche oder eheliche Beziehungen, Jugendkriminalität, Missachtung von Weisungen und Auflagen.

Der australische Filmemacher Ian Walker, der über einen bekennenden Psychopathen die Dokumentation „Ich bin ein Psychopath“ gedreht hat: „Selbst wenn man schon einige Zeit mit einem Psychopathen verbracht hat und schon vieles erlebt hat, staunt man noch immer über seine Grausamkeit.“

Sich schützen

Für Menschen mit „normalem“ Gewissen, Einfühlungsvermögen und Schuldbewusstsein ist es schwer vorstellbar, dass es so etwas wie Soziopathie überhaupt gibt. Der charmante, redegewandte Geschäfts- oder Lebenspartner wird plötzlich zum „Feind“ der einen ohne Hemmungen fertig macht und sich von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde verwandelt. Man wird in eine Opferrolle gedrängt, viele Betroffene suchen erst einmal die Schuld bei sich. Ein erster Schritt sich zu schützen, ist zu erkennen, was da abläuft und mit anderen darüber zu reden, sich Hilfe zu suchen. Man ist nicht schwach, naiv oder „selber schuld“, sondern man hat vertraut und dieses Vertrauen wurde missbraucht, der mitfühlende Mensch wurde verletzt und gedemütigt. Es ist nie zu spät, um „Stopp, mit mir nicht!“ zu sagen.

 

 

Weitere Informationen auf der Seite Psychosoziale Gesundheit  von Prof. Dr. Volker Faust.
 

Buchtipps zum Thema:

Babiak Paul, Robert D. Hare: Menschenschinder oder Manager. Psychopathen bei der Arbeit. Hanser Fachbuchverlag, München 2007

Hare, Robert D.: Gewissenlos. Die Psychopathen unter uns. Springer-Verlag, Wien - New York 2005

Hirigoyen, Marie-France: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann. dtv, München 2010

Stout, Martha: Der Soziopath von nebenan. Die Skrupellosen: ihre Lügen, Taktiken und Tricks. Springer-Verlag, Wien - New York 2006

 

 

Autorin: Martina Haidvogl
 

Kommentare
tuffi
2013-12-23 13:46:17
muss man gelesen haben

hexe61
2013-12-30 08:15:49
Höchst interessant!