Zwänge - persönlicher Aberglauben führt zu psychischen Störungen Wenn der innere Drang, etwas zu tun ist, stärker als alle rationalen Gedanken ist, spricht man von einem Zwang, einer Zwangsstörung, Zwangsneurosen oder anankastischen Neurosen, die ärztlicher Behandlungen bedürfen. Was sind Zwänge? Ungewöhnliche Eigenheiten und Marotten kennen viele Menschen. Sie haben Glückszahlen, verlassen das Haus nicht ohne einen Talismann oder klopfen auf Holz. Steht ein Betroffener jedoch unter dem unkontrollierbaren Zwang, bestimmte Gedanken zu denken oder Handlungen auszuführen und hat er panische Angst davor, diesem Drang nicht nachzugehen zu können, spricht man von einem Zwang. Oftmals ist sich der Betroffene der Unsinnigkeit seines Verhaltens bewusst, ist aber nicht in der Lage, sein Verhaltensmuster zu ändern und empfindet den Zwang als quälend und unkontrollierbar. Linderung und Befriedigung des Leidendrucks gibt es nur durch die Ausübung der Zwangshandlung. Menschen mit Zwangsstörungen sind in ihrem Leben eingeschränkt, denn die Ausübung des Zwangs ist oftmals zeitaufwendig und kostet viel Kraft. Sie leben deshalb oft isoliert von der Gesellschaft, die den Zwang nicht nachvollziehen oder verstehen kann, die Gefahr der Vereinsamung ist groß.
Zwänge entstehen meistens aus der Angst heraus, zu versagen oder kritisiert zu werden. Indem alles wieder und wieder kontrolliert wird, hoffen sie, alles richtig zu machen und der Umwelt keine Ursache für eine mögliche Kritik zu geben. Auch die Angst, falsche Entscheidungen zu treffen ist bei Zwangserkrankten größer als bei anderen Menschen. Betroffene mit Zwangsstörungen haben deshalb sehr oft Entscheidungsschwierigkeiten und benötigen mehr Informationen, um sich für oder gegen eine Sache, und sei sich noch so unwichtig, entscheiden zu können. Diese Unentschlossenheit liegt wieder in der Angst begründet, etwas falsch zu machen und dafür kritisiert zu werden.
Neben Depressionen, Angstzuständen und Süchten sind Zwänge die vierthäufigste psychische Erkrankung. Es werden Zwangshandlungen und Zwangsgedanken unterscheiden. Unter Zwangsgedanken werden sich immer wieder aufdrängende und doch unsinnige Denkinhalte verstanden. Zu ihnen zählen die Zwangsbefürchtungen, Zwangsideen, Zwangsvorstellungen, Zwangsimpulse und Grübelzwänge. Die Angst, dass jemand zu Schaden kommt, in eine peinliche Situation zu geraten oder aktiv Unheil anzurichten steht hier im Vordergrund. Zu den Zwangshandlungen zählen der Reinlichkeitszwang, z.B. der Zwang, sich ständig die Hände zu waschen. Der Kontrollzwang, der die Betroffenen dazu zwingt, bestimmte Dinge immer und immer wieder zu überprüfen. Ist die Herdplatte wirklich ausgeschaltet? Ist das Licht aus, der Aschenbecher gelehrt, der Ausweis eingepackt? Das kann dazu führen, dass diese Erkrankten das Haus nicht mehr verlassen können, weil der Kreis der Überprüfung nie abgeschlossen werden kann. Daneben gibt es den Ordnungszwang, bei dem die Betroffenen Gegenstände symmetrisch oder nach Farben, Größe, Formen oder sonstigen Mustern anordnen müssen und erst dann beruhigt sind, wenn sie ein für sie logisches Gleichgewicht im System, z.B. Bücherschrank oder innerhalb einer Schublade, hergestellt haben. Beim Berührungszwang muss alles angefasst werden oder darf eben gerade nicht berührt werden, der Zählzwang bringt die Erkrankten dazu, alles zu zählen und Menschen, die unter dem verbalen Zwang leiden müssen alles artikulieren oder bestimmte Melodien immer und immer wieder wiederholen.
Der Gang zum Psychologen ist der erste Schritt in ein Leben ohne Zwänge. Viele der Betroffenen sind sich aber nicht bewusst, dass ihre Krankheit chronisch ist und so kann der Weg zum Arzt manchmal Jahre dauern. Betroffene mit Zwangserkrankungen werden mit einer psychologischen Verhaltenstherapie behandelt. Hier wird den Ursachen auf den Grund gegangen und versucht, ihnen entgegen zu wirken. Der Erkrankte muss lernen, mit Situationen, welche die Zwänge auslösen, normal umzugehen und das zwanghafte Verhalten zu unterlassen. Bei langanhaltenden oder schweren Störungen reicht eine ambulante Behandlung nicht aus und eine stationäre Therapie wird nötig. Als Partner oder Freund eines Zwangserkrankten versuchen sie nicht, ihm durch moralische oder rationale Appelle den Zwang auszureden, denn das bringt nichts. Suchen sie nicht die Schuld bei sich selbst, Zwänge haben viele Ursachen und der Kern liegt oft weit in der Vergangenheit. Lassen sie sich vom Erkrankten nicht in seine Zwangsspirale hineinziehen und gehen sie nicht auf seine Forderungen ein. Am besten unterstützen sie den Erkrankten, wenn sie ihm helfen, nicht den Anschluss ans Leben zu verlieren. Machen sie ihm jedoch immer und bestimmt klar, dass er mit seiner Krankheit nicht alleine ist, jedoch eine ärztliche Therapie notwendig ist, für die er sich nicht zu schämen braucht.
Autorin: Dipl.-Soz. Christine Bulla |