Experteninterviews
Herr Ao. Univ. – Prof. Dr. Christian Loewe von der Abteilung für Radiodiagnostik im AKH Wien sowie Herr Dipl. – Ing. Dr. Hans-Peter Hutter vom Institut für Umwelthygiene in Wien kommentierten den umstrittenen Einsatz von Nacktscannern sowie deren gesundheitlichen Aspekt in informativer und kritischer Art und Weise.
Interview Ao. Univ. - Prof. Dr. Christian LOEWE, Abteilung für Radiodiagnostik, AKH Wien
EnjoyLiving: Wie stehen Sie generell zu Körperscannern beziehungsweise deren Einsatz?
Ao. Univ. – Prof. Dr. Loewe: Anhand der möglichen negativen Gesundheitsauswirkungen bin ich nicht dafür, die Falschen zu quälen für eine Sicherheit, die es nicht gibt. Es kann keine 100%ige Sicherheit geben und dafür wird die Intimsphäre verletzt. Flugreisen sind nicht ausschließlich dem privaten Zweck vorbehalten. Vielen Menschen müssen beruflich fliegen und sich dabei den Körperscannern jedes Mal aussetzen.
EnjoyLiving: Kommt Ihrer Meinung nach zu der ohnehin bestehenden Strahlenbelastung während des Fluges noch eine weitere Gesundheitsgefährdung durch Anwendung dieser Körperscanner zu tragen?
Ao. Univ. – Prof. Dr. Loewe: Die Strahlenbelastung während eines Fluges ist nicht unerheblich. Unabhängig von der Dosis sollte jede noch so kleine Strahlung vermieden werden. Strahlung summiert sich mit den Jahren und niemand weiß, welche Strahlenuntersuchungen im Leben noch benötigt werden. In Österreich dürfen Röntgenstrahlen jedenfalls gesetzeskonform nur in der Medizin eingesetzt werden.
EnjoyLiving: Wie sieht die Gefahr des Scans mit Nacktscannern bei schwangeren, stillenden Frauen oder generell Frauen im gebärfähigen Alter aus?
Ao. Univ. – Prof. Dr. Loewe: Schwangere oder stillende Frauen sowie generell Frauen im gebärfähigen Alter sind eine schützenswerte Gruppe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass schwangere Frauen bereitwillig durch einen Nacktscanner gehen werden. Die teratogene Wirkung auf das ungeborene Kind ist derzeit noch nicht messbar. Diese Gruppe durch einen Scanner zu schicken ist inadäquat und nicht zu verantworten.
EnjoyLiving: Schwerpunkt Intimsphäre und chronische Krankheiten: sehen Sie Probleme bei Passagieren mit Prothesen oder künstlichen Ausgängen, die sich dadurch rechtfertigen müssen?
Ao. Univ. Prof. Dr. Loewe: Ich sehe die Anwendung von Nacktscannern als Einschnitt in die Intimsphäre. Gerade bei chronisch kranken Patienten mit sichtbaren medizinischen Behelfen werden Infos über den Gesundheitszustand dargelegt. Auch bei der versprochenen Löschung der Bilder: die Bilder sind letztlich in den Händen von Personen und können theoretisch weitervermittelt werden. Man denke daran, wo überall persönliche Daten an Dritte weitergegeben werden.
EnjoyLiving: Liegen bereits Daten über Langzeitschäden/-effekte vor?
Ao. Univ. Prof. Dr. Loewe: Derzeit liegen noch keine Daten über Langzeitschäden vor. Die Methode des Körperscannens ist noch zu jung. Sofort messbar sind außerdem nur hohe Strahlendosen, die einen Akutschaden anrichten. Unklar sind allerdings die Spätfolgen, die derzeit noch nicht aufliegen können. Und selbst wenn nach einigen Jahren eine bestimmte Tumorrate steigt, gibt es noch keinen Beweis dafür, dass ein bestimmtes Gerät daran Schuld hat. Ähnlich ist die Situation aktuell beim Handy. Auch hier wird man erst nach Jahrzehnten wissen, ob die Strahlen gesundheitsgefährdend sind und auch nur dann, wenn sich die Gesundheitsgefährdung ausschließlich auf das Handy zurückführen lässt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview Dipl. – Ing. Dr. med. Hans-Peter Hutter, Institut für Umwelthygiene, Wien
EnjoyLiving: Wie stehen Sie generell zu Körperscannern beziehungsweise deren Einsatz?
Dipl. – Ing. Dr. med. Hutter: Unabhängig von der medizinischen Expertise möchte ich an die grundlegende Geschichte erinnern, die schließlich das Thema „Nacktscanner“ in Gang gesetzt hat. Der Fall des nigerianischen Flugzeugattentäters war damals ausschlaggebend, der ohne Reisepass und ohne Gepäck in die Maschine kam. Zusätzlich warnte sein Vater die Amerikaner vor seinem eigenen Sohn. Verdachtsmomente waren also ausreichend vorhanden, die ein entsprechendes Handeln auslösen hätten müssen. Nur hat niemand diese Daten zusammengeführt. Damit handelt es sich in diesem Fall eindeutig um menschliches Versagen.
Meiner Meinung nach gibt es aktuell genügend Kontrollmechanismen. Das Problem liegt eher darin, dass Daten zwar erhoben, nicht jedoch zusammengeführt werden. Statt teurem, eventuell gesundheitsproblematischem Equipment, wäre eine Verbesserung der derzeitigen Struktur förderlicher. Beispielsweise ist bekannt, dass das US-amerikanische Sicherheitspersonal häufig schlecht bezahlt und auch schlecht ausgebildet ist. Hier sollten Maßnahmen gesetzt werden, anstatt für diese typischen Unzulänglichkeiten in der Betriebsstruktur und in der Kommunikation technische und aufwendige Problemlösungen einzusetzen.
EnjoyLiving: In der Funktionsweise von Nacktscannern wird zwischen einem passiven und einem aktiven Verfahren unterschieden. Ist das aktive Verfahren schädlicher als das passive Verfahren?
Dipl. – Ing. Dr. med. Hutter: Beim passiven Verfahren wird quasi nur ein Foto des Menschen im Scanner angefertigt. Dabei wird lediglich die natürliche Terahertzstrahlung, die der menschliche Körper abstrahlt, detektiert. Im aktiven Verfahren wird eine künstliche Strahlungsquelle benötigt. Zur Frage von Gesundheitseffekten dieser eingesetzten Terahertzstrahlung gibt es nur einige wenige Untersuchungen. Im Sinne des Minimierungsprinzips, das gerade in solchen Fällen zur Anwendung kommen muss, wenn nur eine mangelhafte Datenlage vorliegt, ist der Einsatz von aktiven Rückstreuscannern mit Terahertzstrahlung abzulehnen.
EnjoyLiving: Wie sieht die Gefahr des Scans mit Nacktscannern bei schwangeren, stillenden Frauen oder generell Frauen im gebärfähigen Alter aus?
Dipl. – Ing. Dr. med. Hutter: In Anbetracht der derzeit geringen Kenntnisse über die Auswirkungen der speziellen Strahlung ist es besonders wichtig, Risikogruppen zu definieren. Schwangere Frauen sind klarerweise besonders vor Umwelteinflüssen zu schützen.
EnjoyLiving: Ist die Aussage korrekt, dass Terahertz-Strahlen nicht in tiefer liegende Organe vordringen, sondern nur wenige Millimeter in den Körper eindringen?
Dipl. – Ing. Dr. med. Hutter: Diese Aussage ist korrekt. Je höher die Frequenz einer Strahlung, desto geringer ist deren Eindringtiefe.
EnjoyLiving: Liegen bereits Daten über Langzeitschäden/-effekte vor?
Dipl. – Ing. Dr. med. Hutter: Es existieren nur eine Handvoll Untersuchungen zu akuten Gesundheitseffekten. Die aus Russland, Israel oder Frankreich stammenden Studien untersuchten vor allem Effekte auf die DNA oder die Verteilung von Chromosomen. Eine israelische Arbeitsgruppe fand Hinweise auf Störungen der Chromosomenverteilung in Lymphozyten. Das bedeutet, dass die Strahlung, die bei den „aktiven Ganzkörperscannern“ eingesetzt wird, auch einen Einfluss auf das Erbgut haben kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Autorin: Mag.a Vorauer Nicole
Zumindest hat es schonmal einen Flasmob in Berlin gegeben der den Nacktscanner kritisiert (siehe https://www.fairplane.de/de/piraten-im-adamskostuem-im-kampf-gegen-den-nacktscanner/) hat.
MFG