Pflanzenheilkunde – Weltenbummler mit Tradition
Pflanzen (griech. phyton) gehörten von jeher zum Alltag der Menschen. Demzufolge geht auch deren Verwendung als Heilmittel bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurück.
Und nicht nur Menschen, sondern schon unsere Vorfahren, die Menschenaffen, nutzen die Heilkräfte von Pflanzen: „Sie wissen wie sie die Pflanze verwenden müssen, ob sie gekaut und geschluckt, ungekaut geschluckt, auf Wunden gelegt werden müssen und sie wissen genau, welche Pflanze wo hilft und wo sie diese Pflanzen finden, es gehört einfach zu ihrem Alltag. Sie lernen dies von Eltern, Tanten und Geschwistern und es gibt viel zu wissen, denn schließlich kennen sie so einiges: gegen Durchfall, Bauchweh, Darmparasiten, als Entzündungshemmer, Aufputschmittel, Nikotinähnliches, sogar wie sie Parasiten vom Schlafnest fernhalten ... ich denke wir wissen noch lange nicht, was sie alles wissen!“, erklärt die Tierpflegerin Jenny Czarnota aus dem Affenhaus im Wiener Tiergarten Schönbrunn.
Hippokrates, Galenus, Paracelsus und viele weitere klingende Namen der westlichen Medizingeschichte setzten sich bereits mit der Pflanzenheilkunde auseinander. Aber nicht nur in unserem Kulturkreis, sondern auch beispielsweise in der TCM, der Ayurveda-Lehre und in der arabisch –islamischen Kultur haben Pflanzen als Heilmittel eine lange Tradition. Da hierbei jeweils meist heimische Pflanzen erforscht wurden, gibt es zwischen den medizinischen Traditionen wohl auch noch vieles auszutauschen und zu entdecken.
Klosterbrüder und Kräuterhexen
Ein wichtiger Grundstein für die Phytotherapie wurde in den mittelalterlichen Klöstergärten der Benediktiner gelegt. Auch heute noch bekannt ist beispielsweise das Werk der Hildegard von Bingen. Daneben existierte die Volksmedizin, die hauptsächlich von Frauen weitergegeben wurde. Abgesehen von zauberhaften Mythen, die sich um sogenannte Hexen im Mittelalter ranken, hatten viele dieser Frauen, die lange Zeit verfolgt wurden, einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit Pflanzen und ihren Heilungskräften.
Wie unterscheidet sich nun die moderne Phytotherapie von dieser historischen Pflanzenheilkunst?
„Moderne Phytotherapie basiert auf Erfahrung, belegt durch naturwissenschaftlich-medizinische Erkenntnisse, d.h. durch chemische, pharmakologische und klinische Studien. Phytotherapie kann therapeutische Lücken schließen oder adjuvant (unterstützend, Anm.CA) zu anderen Therapieformen angewendet werden; sie ist Teil der auf naturwissenschaftlicher Basis beruhenden Medizin, kein alternatives Therapieprinzip. Damit ergibt sich eine Abgrenzung zu Therapieformen, bei denen naturwissenschaftliche Grundlagen nicht vorhanden sind, also etwa Bach- Blütentherapie oder Homöopathie“, so Univ.Prof.Dr.Wolfgang Kubelka vom Institut für Pharmakognosie der Universität Wien.
Pharmakognosie ist die Wissenschaft zur Erforschung pflanzlicher Arzneimittel. Früher galt eher das Prinzip: „Probieren geht über studieren“, was sicher dem einen oder anderen eher unangenehme Erlebnisse mit Giftpflanzen beschert haben mag. Dennoch bildete dieses Erfahrungswissen das Fundament für unsere heutigen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Pflanzenheilkunde. Viele Arzneipflanzen der Kloster- und Volksmedizin werden auch heute noch erfolgreich eingesetzt.
Wie wirken Pflanzen?
Pflanzen wirken vor allem vielfältig und komplex. Einige Wirkungszusammenhänge sind bis heute noch nicht erforscht. Heilpflanzen enthalten ein Gemisch verschiedener Inhaltsstoffe, die Wirksamkeit ergibt sich durch das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten. Die Heilfähigkeiten gehen dabei weit über den Einsatz als Hausmittel bei Erkältungen, Fieber o.ä. hinaus: „Phytotherapie kann nicht nur bei leichteren Erkrankungen bzw. Befindlichkeitsstörungen eingesetzt werden, sondern alleine oder unterstützend auch bei schwereren Krankheiten. “ so Univ.Prof.Dr.Wolfgang Kubelka.
Wirkstoffe
Pflanzen besitzen also viele unterschiedliche Inhaltsstoffe, die sich positiv auf Körper, Geist und Seele auswirken können. Hier eine Auswahl heilsamer Pflanzenbestandteile:
- Ätherische Öle: wirken allgemein desinfizierend und entkrampfend. So hat das ätherische Öl der Angelikawurzel eine entblähende Wirkung und entspannt einen harten Bauch.
- Bitterstoffe: haben zumeist mit dem Verdauungstrakt zu tun. Durch die Anregung von Basenbildung im Körper wirken sie einer Übersäuerung entgegen.
- Gerbstoffe: früher wurde mit gerbstoffhaltigen Pflanzen wie der Eichenrinde tatsächlich gegerbt und gefärbt. Im Körper bewirken sie die Bildung von Schutzschichten. Gerbstoffe haben außerdem eine antiseptische (entzündungshemmende) Wirkung und lindern Juckreiz.
- Schleimstoffe: diese Mehrfachzucker helfen unter anderem bei Reizhusten und Schleimhautentzündungen.
Anwendungsmöglichkeiten
Pflanzliche Arzneimittel heißen in der Fachsprache Phytopharmaka. Eine klassische Zubereitungsform davon ist der Heiltee. Daneben gibt es weitere vielfältige Anwendungsformen: Bäder, Inhalationen, Tinkturen, Salben, Sirupe, Öle, Dragees und vieles mehr. So ist es auch leicht, eine Methode zu finden, mit der man sich wohlfühlt und die den individuellen Vorlieben und Bedingungen angepasst ist.
Apotheke oder Marke Eigenbau ?
Prinzipiell ist es keine Hexerei, sich eine kleine pflanzliche Hausapotheke anzulegen. Viele Gewürze, die normalerweise Ihre Gerichte schmackhaft machen, sind auch potentielle Heilmittel - Thymian, Rosmarin und Fenchel zählen dazu. Wenn Sie selbst sammeln oder anbauen möchten, informieren Sie sich davor ausreichend - Rahmenbedingungen wie Standort, Erntezeit, Klima, Lagerung und einiges mehr sind ausschlaggebend für die Güte der Pflanzen. Wer es lieber praktisch und ohne eigenen Aufwand mag, bekommt Phytopharmaka natürlich vorwiegend in Apotheken und Drogerien. Diese werden hinsichtlich ihres Wirkstoffgehalts genau kontrolliert und unterliegen strengen Qualitätskriterien.
Kein Grund zur Verharmlosung
Pflanzenheilkunde ist wie die „klassische“ medikamentöse Behandlung nur mit Bedacht anzuwenden. Gehen Sie keine unnötigen Risiken ein, experimentieren Sie vor allem nicht mit Giftpflanzen und klären Sie im Vorfeld allfällige Allergien ab. Wie bei jedem Medikament ist stets auf die richtige Dosierung zu achten – nicht nur die allgemeine Empfehlung, sondern auch ihr persönlicher „innerer Arzt“ sollten dabei Beachtung finden. Schon Hippokrates wies auf die Janusköpfigkeit von Heilpflanzen hin: ob ein Heilmittel Arznei oder Gift für einen Menschen sei, bestimme allein die Dosis. „Prinzipiell ist Phytotherapie für jeden geeignet, wenn sie richtig angewendet wird, d.h. das richtige Arzneimittel in der richtigen Dosierung für die jeweilige Indikation “ unterstreicht auch abschließend Univ.Prof.Dr.Wolfgang Kubelka. Daher ist eine Diagnose durch den Arzt sehr empfehlenswert, bzw. im Falle einer Selbstmedikation diese unter Beratung durch einen Arzt oder Apotheker durchzuführen.
Autorin: Cornelia Auer Bakk.