EL: Die Eutonie arbeitet also auch sehr viel über Bewusstmachung. Warum fehlt dieses Bewusstsein so oft?

ML: Ich habe das auch schon beobachtet. Ich bin ja nicht jemand, der massiert und dann geht es dem Behandelten gut. Das ist eine wunderbare Arbeit, aber bei mir geht es einen Schritt weiter. Oft kommen die Leute zu mir und merken nach ein paar Stunden: Moment mal, da geht‘s um mich! Ich verstehe, dass manche erstmal nicht tiefer gehen wollen, als bis zu einem bestimmten Punkt - weil es beruflich oder familiär nicht machbar ist.

Spannend wird es, wenn jemand merkt, dass es ihm gut getan hat und nicht nur an der Oberfläche bleibt. Wenn er sich mit seiner Struktur, auch wenn das über den Körper hinausgeht, auseinandersetzt und an sich als Person arbeitet. Da muss jeder für sich definieren: mach ich das jetzt, habe ich grade den Nerv dafür?

EL: Da zeigen sich auch Zusammenhänge zwischen der Körperhaltung und der Psyche...

ML: Ja, für meine Diplomarbeit habe ich etwa mit Tänzern zusammen gearbeitet. Bei diesen Leistungssportlern gibt es einfach oft Essprobleme, weil das Berufsbild Schlanksein erfordert. Da ist wirklich große Verantwortung und Vorsicht geboten.

Man muss sich als Eutonie-Pädagogin klar werden, bis wohin die Verantwortung geht und wo der Kompetenzbereich aufhört. Man kann solche Probleme zwar ansprechen, muss jedoch sehr klar unterscheiden, wann etwas zum Therapeuten gehört. Diese Fähigkeit macht unter anderem den Unterschied zwischen seriöser und unseriöser Arbeit aus. Ich fordere die Leute auch selbst immer wieder auf, klar mit sich umzugehen.