Buddeln macht Freude - Gartentherapie für Kinder Tatort Garten: Der Erdhügel in der kleinen Schubkarre schwankt gefährlich. Die Last in der linken Kinderhand und im linken Arm wird plötzlich schwerer. Die Schultern und der ganze Rücken müssen gegensteuern. Gleichzeitig suchen die Füße Halt auf dem holprigen Pfad. Der Blick schweift vom Weg zur Karre und wieder zurück. Vor lauter Aufregung läuft die Nase und die Zunge ist zwischen die Zähne geklemmt. Das Kind ist konzentriert bei der Sache. Sehen, fühlen, tasten, Muskeln anspannen, Gleichgewicht halten – bei der Arbeit im Garten ist der ganze Körper mit allen Sinnen gefordert. Spielend leichte Therapie Voller Begeisterung schaufeln die Kinder Erde, um den Murmelberg im Garten des Heilpädagogischen Kindergartens Holzminden zu erhöhen. Herrlich lässt sich dabei mit der Erde matschen! Tunnel entstehen, ein Graswald wird an den Hang gepflanzt, Gänseblümchen flankieren das Ende der Bahn. Der Garten liefert aus einem schier unerschöpflichen Repertoire immer wieder neue Anregungen, um den Murmelberg zu beleben und zu verschönern. Der Garten mit all seinen Elementen hat einen hohen Aufforderungscharakter für Kinder, darüber sind sich Pädagogen und Therapeuten einig. Für den Heilpädagogischen Kindergarten und seine kleinen Besucher ist er daher von elementarer Bedeutung. In diesen Kindergarten kommen täglich Kinder mit Behinderungen, mit Entwicklungsverzögerungen, Wahrnehmungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Sie finden in dem Garten, in dem man vorgefertigte Spielgeräte vergebens sucht, Möglichkeiten zum Spielen und zur Entfaltung ihrer Kreativität. Erde, Pflanzen, Wasser, Steine, Holz und die Gestalt des Geländes regen die Phantasie an und laden zum Spielen ein. Daher eignet sich der Garten hervorragend als Medium für die Therapie. Langsam, aber immer sicherer Für viele Erwachsene wirkt es eher nebensächlich und zufällig, aber beim Spielen sammeln Kinder Erfahrungen fürs Leben. Ganz unmerklich eignen sie sich die Welt an. Sie trainieren ihre Sinne, ihre Wahrnehmung, ihre Koordination und ihre Muskeln. Ulf Theiß, Leiter des Heilpädagogischen Kindergartens in Holzminden: "Einer unserer wichtigsten Förderbereiche ist die Motorik der Kinder. Sie ist die Grundlage für viele weitere Fähigkeiten. Aus diesem Grund sind wir ein Kindergarten, der dauernd in Bewegung ist". Bewegungsmuster – das Erfassen des Umfelds durch die Sinne und die angemessene Reaktion darauf – sind komplexe Prozesse, die hohe Anforderungen an die Verarbeitung im Gehirn stellen. Für Anja Mühlinghaus, Heilpädagogin an der Rheinischen Landesklinik in Köln, ist das Lernen eines neuen Bewegungsablaufes vergleichbar mit dem Bahnen eines Pfades durch die Wildnis: Der erste Gang durch das Gestrüpp ist langsam, tastend. Das zweite Mal fällt bereits leichter. Von Mal zu Mal prägt sich der Pfad mehr aus. Schließlich ist die Beschaffenheit der Strecke dem Gehenden vertraut. Der Bewegungsablauf gelingt sicher und ohne zu stocken. Übung macht den Meister Auf diese Art entwickeln Kinder ein Gefühl für sicheres Gehen, Klettern, zielgerichtetes Werfen und Heben. Am Anfang steht immer mühsames Probieren und Wiederholen. Ohne Trainieren geht es nicht. Es ist ein langer Weg bis zum sicheren Zusammenspiel der Sinne und Muskeln. Aber bewusstes Training, so wie Erwachsene es absolvieren, ist nichts für Kinder. Erzwungene Übungen sind langweilig, unverständlich und ermüdend. Im Frühjahr in der Erde buddeln und Samen darin verstecken, im Sommer mit der Gießkanne Wasser holen und alle nass spritzen, den herabfallenden Blättern im Herbst mit dem Rollstuhl hinterhersausen oder noch später im Winter im lockeren Schnee toben – all das macht Riesenspaß. Und Pädagogen und Therapeuten wissen, dass dabei auch Hände und Füße, Augen und Ohren, der Gleichgewichtssinn, die Koordination und vieles andere mehr trainiert werden. Für die Kinder ist das uninteressant und doch lebenswichtig. Es liegt an den Betreuern, das Spiel behutsam und doch gezielt zu steuern, um genau die Bereiche zu üben, in denen Förderung nötig und möglich ist. Behindertengerechtes Leben Längst nicht alle Kinder haben das Glück, in der Nähe eines Kindergartens oder auch nur eines Spielplatzes zu leben, der auf ihre körperlichen Möglichkeiten abgestimmt ist. "Viele behinderte Kinder haben eine Kindheit, die nur sehr eingeschränkt Möglichkeiten für Bewegung und Spiel bietet. Solche Erfahrungen lassen die Kinder vom jüngsten Alter an resignieren", stellt Landschaftsarchitektin Beate Voskamp, Mitglied im Ausschuss Barrierefreies Bauen der Brandenburgischen Architektenkammer, fest. "Dabei sind gerade behinderte Kinder viel mehr noch als ihre gesunden Spielkameraden als Grundlage für die Entfaltung ihrer Entwicklungschancen auf vielfältigste Bewegungsangebote angewiesen". Daher fordert die Landschaftsarchitektin: Geeignete Spielplätze für alle Kinder. Dass der Wunsch Realität werden kann, zeigt der von ihr entworfene barrierefreie Kinderspielplatz in der Berliner Therapieeinrichtung "Alter Quellhof", der sowohl behinderten als auch gesunden Kindern ausreichende Möglichkeiten zum Spielen bietet. Auf den ersten Blick unterscheidet er sich gar nicht von einem gut ausgestatteten Spielplatz. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass alle Bereiche mit Roller, Dreirad und Rollstuhl zu unterfahren sind. Das Liegebrett über dem großen Sandbereich oder der Schaukelkorb sind sowohl für behinderte als auch für gesunde Kinder geeignet und sind heiß begehrt. So macht Spielen unter allen Umständen Spaß! Quelle: Grünes Presseportal Photo: CMA |