Ayurveda in der Schule
Ayurveda in der Schule - ein pädagogisches Konzept
Ayurvedische Prinzipien im Schulalltag anzuwenden, ist eigentlich ganz einfach. Es ist ein Gewinn für Eltern, Lehrer und vor allem für die Kinder, die in Harmonie mit dem Sein ihr Rüstzeug fürs Leben erhalten.
Ayurveda in der Schule - ein pädagogisches Konzept
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1.  Jedes Kind ist anders

Jeder Mensch kommt mit einer individuellen Konstitution zur Welt – der so genannten Prakriti. Die Konstitution kann man anhand der Ausprägung der drei Bioenergien (Doshas) Vata, Pitta und Kapha feststellen. Vata entspricht den Elementen Luft und Äther, Pitta dem Feuer mit einem geringen Anteil Wasser und Kapha wird durch das Erd- und das Wasserelement bestimmt. Der erfahrene Ayurveda-Praktizierende kann diese Ausprägungen bereits bei Kleinkindern feststellen, wobei - genau wie bei Erwachsenen auch - Mischtypen sehr verbreitet sind.

Kleine Doshakunde:

Das Vata Kind ist von grazilem Körperbau, ist ängstlich und schüchtern, leicht abzulenken, schläft schlecht, friert leicht und hat einen wechselhaften Appetit und neigt zu kariösen Zähnen.

Das Pitta Kind hat einen normalen Körperbau, rote Wangen, ist aufbrausend und ungeduldig, schläft tief, aber kurz, hat eine deutliche und klare Sprachartikulation, schwitzt leicht und ist ein guter Esser.

Das Kapha Kind hat einen schweren Körperbau, neigt zum pummelig werden, isst gern und gut, reagiert bedächtig, spricht langsam, schläft tief und lange, lernt langsam, aber stetig und konzentriert, kann nicht sehr gut teilen.

Die Wahrnehmung der unterschiedlichen Temperamente ist übrigens in allen ganzheitlichen pädagogischen Konzepten bekannt und Grundlage vieler Erziehungskonzepte. So findet man vergleichbare Einsichten in den Konzepten von Maria Montessori, Rudolf Steiner oder Peter Petersen, um nur einige Wegbereiter zu benennen.

Ein Vata Kind verhält sich im Schulalltag ganz anders als ein Pitta Kind oder gar ein Kapha Kind. Jede Ausprägung bringt andere Bedürfnisse mit sich. Das bedeutet, dass ganzheitliches Lernen nur möglich ist, wenn sich die Pädagogen der Verschiedenheit und Besonderheiten aller Kinder bewusst sind. Es gilt zunächst, die einzelnen Kinder in ihrer Einzigartigkeit wahrzunehmen und zu fördern und dann die Zusammensetzung der Klassengemeinschaft so anzulegen, dass sich verschiedenen Kinder durch ihre Verschiedenheit unterstützen. So kann ein Kapha Kind sehr von der schnellen Auffassungsgabe des Vata Kindes profitieren, während das Vata Kind durch die Stetigkeit  des Kapha Kindes unterstützt wird.

 
2.  Kindheit ist Kapha Zeit

Obwohl ein jedes Kind seine ureigene Konstitution hat, ist die Kindheit an sich die Zeit von Erde und Wasser:

Kapha prägt diese Entwicklungsphase bei jedem Menschen: Der Mensch wächst im Mutterleib heran und wird geboren. Substanzbildung, die dem Element Erde zugeordnet wird, prägt die ersten Lebensjahre. Man kann diese Substanzbildung sehr gut erleben, wenn man beobachtet, wie weich das menschliche Skelett bei Säuglingen ist und wie hart es sich nach den ersten sechs Lebensjahren entwickelt.

Ein weiteres gutes Beispiel des Prozess der Substanzbildung und Verhärtung ist die Schließung der Fontanelle. Diese Phase geht um das 7. Lebensjahr herum zu Ende – die nächste Phase wird eingeläutet durch den Zahnwechsel. Der Zahnwechsel markiert einen wichtigen Punkt in der Biographie des kleinen Menschen. Der Körper zeigt durch den ersten Wackelzahn, dass die Lebensenergie und Kraft, die bis dahin für den rasanten körperlichen Entwicklungsprozess und das Lernen von Bewegung und Sprache gebraucht wurden, nun frei werden für andere Lernaufgaben. Die Kleinkindphase geht zu Ende, das Kind ist in der Lage zu argumentieren, weint nicht mehr um sich durchzusetzen, sondern begründet seine Bedürfnisse. Nun werden andere Kapha Prozesse wichtig: die des Wassers.

Diese Fähigkeiten sind die Grundlage für das Lernen in der Gemeinschaft der Schule. Der kleine Erdenbürger erobert sich seinen Platz in der Gesellschaft, geht zur Schule, gewinnt eine gewisse Autonomie und lernt ganz verstärkt die sozialen Regeln kennen und damit umgehen.

Gerade der Trend aus Kostengründen Kinder bereits mit 5 Jahren einzuschulen ist äußerst besorgniserregend, da Kinder ihre Kräfte in der Zeit bis zum Zahnwechsel für andere Prozesse brauchen. Der Ayurveda lehrt uns, den Rhythmus der Natur wahrzunehmen und in unser Leben zu integrieren. Uns gegen diesen Rhythmus zu stellen bedeutet eine unnötige Kraftanstrengung, die zu Unausgewogenheit führen kann.  Mantren singen und Mandalas malen sind zwei hervorragende Möglichkeiten, Kinder in dieser Entwicklungsphase zu unterstützen.

 
3. Ayurveda und Schulalltag

Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder können im Schulalltag eigentlich sehr einfach berücksichtigt werden.

Zunächst einmal sollte der Schulmorgen mit gesunder Bewegung beginnen.Einige Yoga oder Qigong Übungen können helfen, den Tag gut und aufmerksam zu beginnen. Sie unterstützen Kinder aller Doshas.

Ebenfalls förderlich, besonders in der Grundschule, ist die Entwicklung von gemeinsamem Rhythmus. Dies kann leicht durch gemeinsames Singen oder eine Mischung aus Bewegung und Singen wie im Taketina unterstützt werden.

Nun kann der Unterricht beginnen. Der Klassenraum sollte eine behagliche und warme Atmosphäre haben. Die Anordnung der Stühle und Tische sollte im Raum eine Harmonie erzeugen. Die Ausrichtung sollte so sein, dass Kinder und Lehrer die Tür sehen können. Die Pädagogen sollten versuchen die einzelnen Kinder so zu setzen, dass die verschiedenen Typen sich gegenseitig bereichern. Ein guter Ayurveda Lehrer beobachtet seine Schüler immer ganz genau – was nehmen sie auf? Gibt es noch Fragen? Ist das Wissen wirklich tief in den Lernenden eingedrungen? Hiervon können wir lernen – diese Aufmerksamkeit kommt den Kindern zu Gute.

Wann immer es möglich ist sollte das Gelernte ausprobiert werden – wichtig sind viele anschauliche Übungen für Kinder, die zu eigenen Erfahrungen führen. Die Unterrichtsstunden sollten abwechslungsreich gestaltet werden, damit auch Vata Kinder nicht mit den Gedanken abschweifen. Gleichzeitig muß die Langsamkeit der Kapha Kinder bedacht werden, die einfach etwas länger brauchen, um eine Übung zu machen.

Regelmäßige Pausen sollten zum Lüften der Klassenräume genutzt werden. Sauerstoff und gute Luft im Klassenzimmer ist wichtig. Kinder brauchen häufiger Zwischenmahlzeiten als Erwachsene. Während Vata Kinder diese schon mal vergessen, sind sie für Pitta Kinder unverzichtbar und für Kapha Kinder ein wichtiger Bestandteil ihres Schulmorgens. Geeignete Nahrungsmittel sind Nüsse und Datteln sowie Trockenfrüchte, wobei Trockenfrüchte für Vata Kinder zu vermeiden sind. Als Getränke eignen sich warme ungesüßte Tees, die - relativ unaufwendig zu realisieren - im Klassenzimmer bereit stehen sollten.

Der Morgen ist besonders ab 10 Uhr eine gute Zeit zum Lernen und aufnehmen, so dass die Schule bis zum Mittag die wichtigen lernaufwendigen Fächer abgedeckt haben sollte. Zwischen 12 und 14 Uhr sollte das Mittagessen eingenommen werden. Dieses sollte immer frisch gekocht sein und eine ausgewogene Mischung für alle Konstitutionstypen anbieten. Während des Essens sowie kurz davor und danach sollten wenig getrunken werden. Geeignet sind auch hier wieder warme ungesüßte Tees oder warmes Wasser. Ab 14 Uhr beginnt die Phase der Kreativität. Hier sollten Kinder sich wie auch immer kreativ beschäftigen. Neben Hausaufgaben, die immer so gestellt sein sollten, dass sie die eigene Kreativität fördern, sollte genug Zeit fürs Spielen bleiben. Der Schul-Nachmittag sollte spätestens um 17 Uhr ausklingen, damit Kinder vor Beginn der Kapha Zeit um 18 Uhr die Abendmahlzeit noch in aller Ruhe zu Hause eingenommen haben können. Bis zur Schlafenszeit sollten die Ruhe und der Austausch in der Familie im Vordergrund stehen.

 

© Alexandra Müller, Campus Naturalis

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