Bon Nadal - Weihnachten auf Katalanisch Spätestens seit Woody Allens Film Vicky, Cristina, Barcelona wissen es alle: Barcelona ist eine Stadt, in der man mindestens einmal gewesen sein muss. Denn Kataloniens pulsierende Metropole am Mittelmeer besitzt ein spezielles Flair, voll von Leben, Leichtigkeit, Genussfreude und ein wenig Verrücktheit – ganz besonders zur Weihnachtszeit. Ein Spaziergang durch ein „winterliches“ Barcelona. Ein schlagendes Argument für einen Besuch in der mediterranen Stadt ist und bleibt das Klima – so klischeehaft es auch sein mag: Wer im Dezember bei strahlendem Sonnenschein und einer Durchschnittstemperatur von 12°C aus dem Flugzeug steigt, kann die Kälte, die hierzulande um diese Jahreszeit herrscht, schon einmal gerne vergessen. Aber natürlich ist gerade Barcelona, Kataloniens Hauptstadt, mehr als Sonne, Strand und Meer – ein Stempel, der Spanien zu Francos Zeiten aufgedrückt wurde und der sich in manchen Köpfen immer noch hartnäckig hält. Der nationalistische Diktator würde sich vielleicht gerade jetzt im Grabe umdrehen, wenn während der Weihnachtszeit die regionalen Bräuche wieder besonders hervorgehoben werden. Von Lichterketten und Weihnachtsmärkten
Mit Sternen, Lichterketten und anderem weihnachtlichen Firlefanz geschmückt werden Barcelonas Straßen schon lange, bevor die Adventszeit auch nur naht. Ein besonders erdrückendes Beispiel findet sich auf der Plaça Catalunya, wo die breite Einkaufstraße Passeig de Gràcia auf die berühmten Rambles trifft. Riesengroß hat sich dort eine Filiale der spanischen Kette „El Corte Inglés“ platziert und sein Weihnachtsschmuck wird von Jahr zu Jahr pompöser. Die Plaça Catalunya markiert auch den Eingang zum historischen Stadtkern. Dort gibt es, wie in ganz Katalonien, ab dem 8. Dezember Weihnachtsmärkte. Mitten im Zentrum des gotischen Viertels (Barri gòtic) findet etwa alljährlich die Fira de Santa Llúcia vor der Kathedrale statt.
Kuriose Kleinigkeiten im Barri gòtic
An den Marktständen der Fira de Santa Llúcia gibt es neben dem üblichen Christbaumschmuck und den Kerzen auch für Sammler von Kuriositäten allerhand zu entdecken. So zum Beispiel den Caganer, dessen Name sinnbildlich ist, schließlich stellt er eine Figur dar, die sich sichtlich erleichtert – cagar bedeutet auf Katalanisch sich seiner Exkremente entledigen. Der Caganer ist eine Krippenfigur und trägt in seiner klassischen Variante dunkle Hosen, ein weißes Hemd und eine rote Mütze, allerdings werden auch gerne Prominente derart dargestellt. Doch ein Scherz ist der Caganer keineswegs – ganz im Gegenteil. Denn dahinter steht der Glaube, dass er mit seinem „Geschäft“ den Boden der Krippe düngt und diesen damit fruchtbarer macht – insofern handelt es sich nach katalanischem Brauch sogar um eine Ehrerbietung für die dargestellte Person. Ob Carla Bruni, Sarkozy, Merkel, Ronaldinho & Co. das auch so sehen, ist fraglich. Wer sich einen Überblick über die verschiedenen Caganers verschaffen will, findet besonders schöne Exemplare unter: www.caganer.com.
Ein Fest der Traditionen und: Geschenke!
Zwischen den Ständen mit traditionellem Kunsthandwerk herumstöbern lässt es sich allerdings nicht nur vor der Kathedrale, sondern auch auf der Plaça del Pí oder vor der Sagrada Familia, wo ebenfalls die Händler ihre Hütten aufgebaut haben. Wer sich nach der Besichtigung der von Gaudí erbauten, sehr extravaganten Kirche noch auf die Suche nach ein wenig weihnachtlichem Flair begeben will, muss nicht weit laufen. Und ein kleiner, typischer Vertreter der katalanischen Weihnachtstraditionen ist dort bestimmt zu finden: der Tió de Nadal, oder auch Tronca genannt. Ursprünglich war der Tió nur ein Holzstrunk, der mit seinem Feuer, das er bot, sein Geschenk erbrachte. Heute wird das Stück Holz, das es in allen unterschiedlichen Größen zu kaufen gibt, mit Füßen versehen, es bekommt ein Gesicht aufgemalt und einen roten Mantel umgelegt. Ab dem 8. Dezember füttert man den Tió mit kleinen Geschenken, die man unter den Mantel steckt. Am Weihnachtsabend – und auch hier sind die katalanischen Bräuche dem Verdauungsvorgang sehr verbunden – „scheißt“ der Tió zu einem traditionellen Kinderlied die zuvor versteckten Kleinigkeiten, vor allem Essbares, wie typische Süßigkeiten oder Cava, den katalanischen Sekt:
„Caga, tió,
caga neules i torró,
d’avellana i de pinyó,
i si són dels fins, millor.“
(„Kack’, tió, kack’ Neules und Torró, mit Haselnüssen und Pinienkernen, und sind sie vom Feinsten, umso besser.“ – Hinweis: Die vulgäre Konnotation ist im Katalanischen sehr viel schwächer als im Deutschen.)
Das Beste kommt auch kulinarisch zum Schluss
Die großen Geschenke kommen, wie in ganz Spanien üblich, erst mit den Heiligen drei Königen am 6. Januar. So werden traditioneller Weise am 24. Dezember der Tió „geschlachtet“ und Weihnachtslieder gesungen – am 25. Dezember folgt dann das große Weihnachtsessen, bei dem ganz nach dem Brauch Torró (spanisch: Turrón) verspeist wird. Diese typische Süßigkeit besteht aus Mandeln, Honig und Eiern und ist dem französischen „nougat“ und dem italienischen „torrone“ nicht unähnlich. Die bekannteste Sorte ist wohl der Torró de Xixona (oder Jijona), der nur aus Mandeln und Honig besteht und eine sehr weiche, klebrige Konsistenz hat, der auch durch eine geschützte Ursprungsbezeichnung gekennzeichnet ist. In den Supermärkten sind schon spätestens im Oktober alle möglichen Arten, ob mit Kokos, Schokolade oder Nüssen, in den verschiedensten Preiskategorien zu finden. Wer diese Süßigkeit in seiner besten Ausformung probieren möchte, sollte einen Torró artesà, der sich als Produkt eines Kunsthandwerks versteht, versuchen. Einmal gekostet, wird man ihn beim nächsten Weihnachtsfest bestimmt vermissen!
Eine andere süße Tradition sind die Neules, längliche Waffeln, die mit Crema Catalana, einer Art Vanillecreme, Sorbets oder Eis gefüllt werden. Oder eben mit Torró... Im Sinne dieser kulinarischen Aussichten: Frohe Weihnachten oder wie man auf Katalanisch sagt: Bon Nadal!
Autorin: Mag.a Anne Wiedlack
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