Das bin doch ich - Thomas Glavinic auf den Fersen
Das bin doch ich - Thomas Glavinic auf den Fersen
Schriftsteller sein ist schwer, ganz besonders wenn man Star-Autor Daniel Kehlmann zum Freund hat und weiß: Für den Erfolg braucht es mehr als ein gutes Buch.
„Wann schreibst denn du mal so was?“

Thomas Glavinic hat mit seinem sechsten Roman „Das bin doch ich“ eine Posse auf Literaturbetrieb und Schriftstellerdasein geschrieben und lässt dabei ebenso wenig gutes Haar an sich selbst wie am Rest seiner Alltagswelt. Das kann heiter werden, denn deren Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen sind erstens haarsträubend kurz. Zweitens ist da Schriftstellerkollege Kehlmann, der besagte Welt mit 750.000 verkauften Exemplaren seines letzten Romans schon bis in die Höhen des Literaturolymps vermessen hat. Ob Glavinics neuer Roman „Die Arbeit der Nacht“ auch nur annähernd so erfolgreich sein wird?

Der mütterliche Ehrgeiz aus der steirischen Dorfgemeinde klingt dem in der Ich-Form erzählenden Glavinic jedenfalls auch beim Inder am Wiener Naschmarkt in den Ohren: „Wann schreibst denn du mal so was?“ Gut, dass der Glavinic des Romans für seine Lebensbewältigung als Schriftsteller ganz eigene Methoden, insbesondere Neurosen entwickelt hat, um sich vor zu großen Hoffnungen und möglichen Niederlagen zu schützen. Beim Vermeiden des eigenen Spiegelbilds werden daher unverzüglich die Karten offen gelegt und die paranoiden Züge seines Charakters sichtbar. Aber auch in der Öffentlichkeit, wo eifrig reflektiert wird, heißt es vorsichtig sein und nicht übertreiben, keine unnötigen Diskussionen heraufbeschwören und im Ernstfall besser eine Flasche Wein nachbestellen. Herausforderungen gibt es für den Schriftsteller und Familienvater genug. Es gilt, Treffen mit wichtigen Leuten zu überstehen, Bekanntschaften zu pflegen und allerorts mit physischer wie geistiger Präsenz zu glänzen. Während Glavinic den aufgesetzten Gesichtern nach außen hin mit geradezu stoischer Gelassenheit begegnet, lässt er im Inneren allerdings nichts unkommentiert an deren künstlichem Gehabe und weiht den Leser, frei von aufdringlichem Augenzwinkern, in seine gedankliche Revolte ein. Dass Schriftstellersein mehr verlangt, als Bücher zu schreiben, tritt spätestens dann auf anschauliche und komische Weise zutage.

Das Spiel mit der Realität

An Schlaf ist bei der Sorge um den Erfolg des neuen Buchs schließlich kaum zu denken. Auch der vierjährige Stanislaus, vom äußerst redseligen Groß- bzw. Schwiegervater Gunther bereits als Wunderkind entdeckt, denkt nicht daran. Glavinic muss in der Schilderung seines Familienlebens aber nicht aus dem Nähkästchen plaudern, um eine intime Atmosphäre zu schaffen. Die Charaktere wirken ungemein authentisch, sodass sich an nicht wenigen Stellen beim Lesen schmunzeln lässt.
Mit viel hintergründigem Witz und subtiler Kritik an den Eigenheiten von Literatur- und Medienbetrieb hat Thomas Glavinic mit „Das bin doch ich“ ein amüsantes und durch das Auslassen von Selbstgefälligkeiten sympathisches Selbstzeugnis eines Schriftstellers abgelegt. Dass der Roman mit Tatsachen spielt und zahlreiche bekannte Personen wie etwa Kabarettist Thomas Maurer als Nebencharaktere auftreten, sorgt für besonderen Reiz. Sind Glavinics Romanbegegnungen pure Erfindung? Neugierige Leser werden schnell daran zweifeln, ohne dennoch an deren ganz aufrichtige Erzähltheit glauben zu können. Raum zum Reflektieren gibt es bei dieser Lektüre daher genug, auch wenn Glavinics fein gesetzter, angenehm unbeschwerter Schreibstil zum raschen Lesen verführt.

Wer sich die Alltagsabenteuer des Autors lieber vorlesen lässt, kann nun auf die Hörbuchversion des Romans zurückgreifen. In der Rolle des Erzählers: Thomas Maurer. Dass Maurer bereits als Glavinics „Kameramörder“ im Rabenhoftheater auftrat, ist nur eine der vielen Tatsachen, die der Schriftsteller in seinem Buch verarbeitet hat.
Wer so spielerisch und gekonnt aus dem Leben greift wie Glavinic, darf zu recht mit weiteren amüsierten Lesern rechnen. Womöglich auch mit ihrer Sympathie: Auch der vierjährige Sohn ist nämlich alles andere als ein Kind reiner Fantasie.

Glavinic, Thomas: Das bin doch ich. (Roman)
Hanser Verlag, München 2007, 238 Seiten, 20,50 Euro


Autorin: Angelika Stallhofer

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