Nordbahnviertel - ein multiethnischer Ort
Nordbahnviertel - ein multiethnischer Ort
Früher waren es Juden, heute Menschen aus vielen Teilen der Erde: Im Wiener Nordbahnviertel prallen Kulturen aufeinander.

Das Nordbahnviertel ist ein kleines Viertel im 2. Wiener Gemeindebezirk. Was früher ein stark jüdisch geprägter Ort war, wird heute vermehrt von Zuwanderern aus der Türkei, Ex-Jugoslawien, Afrika, Polen und anderen Ländern bevölkert. In ihrem Buch „Peripherie in der Stadt. Das Wiener Nordbahnviertel“ hat Dr. Evelyn Klein von der Universität Klagenfurt, Abteilung Stadt, Region und räumliche Entwicklung, das Alltagsleben der Menschen im Nordbahnviertel empirisch erforscht.

Es geht um Fragen wie: „Wie ist dieses Viertel entstanden? Welchen Beitrag haben die jüdischen Zuwanderer für das gesamte Leben dieses Viertels gebracht? Welche Geschäfte und welche Vereine gibt es hier?“ Klein blickt in ihrem Buch als ersten Schritt geschichtlich zurück und erzählt von der Entstehung des multikulturellen Viertels bis zur Arisierung, also zur Enteignung der Juden durch die Nationalsozialisten. „Ich behandle zum Beispiel die Fallgeschichte eines Mannes, der Marktstände arisiert hat und nach 1945 freigesprochen wurde“, erklärt Klein.

Notgedrungenes Miteinander

Das Viertel sei vor dem Zweiten Weltkrieg sozial und ethnisch sehr durchmischt gewesen. Nach einem kurzen Aufschwung 1945 sei es aber noch ärmer geworden. „In den frühen Sechzigern zogen die Kinder der Alteingesessenen in die Gemeindebauten am Rande der Stadt, zurück blieben nur Arme und Alte.“ Mit den Zuwanderern kam es zu einem „notgedrungenen Miteinander“. Zusätzlich sei nach dem Fall des Eisernen Vorhanges der wirtschaftlich so wichtige Nordbahnhof gesprengt worden. Das Viertel sei zu einem „Dead End“, zu einer „Einbahnstraße“ geworden.

Wenig Möglichkeiten zur Begegnung

Klein hat sich im weiteren Verlauf ihrer Studie auf das heutige Zusammenleben der verschiedenen Ethnien konzentriert. „Es herrscht einerseits ein friedliches Nebeneinander der Gruppen, es gibt Bemühungen um ein Miteinander“, sagt sie. Andererseits gebe es aber wenig Möglichkeiten zur Begegnung. „Es ist schwer hier, man kann nicht so zu den Leuten, die man kennt, einen richtigen Kontakt aufbauen. Es gibt keine Gemeinschaft, die sich irgendwo trifft“, zitiert Klein in ihrem Buch aus einem von ihr geführten Interview.

Das Zusammenleben mit den Österreichern beschreibt Klein so: „zwischen misstrauisch Beäugen und Interesse aneinander“. Es habe sich aber gezeigt, dass es durchaus Menschen, wie beispielsweise Studenten, Lehrer oder Angestellte gebe, die die Qualität des durchmischten Viertels schätzen und gerade deswegen hierher ziehen würden.

Buchtipp:
Peripherie in der Stadt. Das Wiener Nordbahnviertel – Einblicke, Erkundungen, Analysen (StudienVerlag)
Autoren: Evelyn Klein und Gustav Glaser


Autorin: Maria Kapeller Bakk.Komm.

Kommentare