Das Helfer-Syndrom - wenn Helfen zur Sucht wird
Das Helfer-Syndrom - wenn Helfen zur Sucht wird
Ärgern Sie sich über die Rücksichtslosigkeit mancher Mitmenschen, denen Sie im Alltag begegnen? Sie aber sind immer zur Stelle, wenn jemand Hilfe benötigt und halten das für selbstverständlich?
Das Helfer-Syndrom  - wenn Helfen zur Sucht wird
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„Gute Menschen“ helfen…

Hilfsbereitschaft ist ohne Zweifel eine gute Sache. Im richtigen Moment zu helfen, kann Leben retten. Wie jede gute Absicht kann aber auch diese in ihr Gegenteil umschlagen. Wird das Helfen zum Zwang und in jeder erdenklichen Lebenslage forciert, verliert es seinen eigentlichen Zweck. Das Bedürfnis zu helfen wird größer als der tatsächliche Bedarf nach Hilfe – ein Phänomen, das Ende der 70er Jahre unter dem Begriff Helfer-Syndrom bekannt wurde und zunächst vor allem in sozialen Berufen anzutreffen war. Die Ursache für dieses Verhalten, das einem Suchtverhalten entspricht, in dem Hilfe mangels Bedarf oft aufgedrängt werden muss, geht in vielen Fällen auf den niedrigen Selbstwert der Betroffenen zurück.
Hilfe zu leisten bedeutet Gutes zu tun und anderen das Leben zu erleichtern. Der Helfer verkörpert demzufolge das Ideal des guten Menschen. Er ist ein Vorbild für alle, ein Held gewissermaßen, der die Welt wieder ins Gleichgewicht bringt und das am besten ehrenamtlich, sodass man ihm keine anderen Beweggründe als Selbstlosigkeit und Freude am Helfen zusprechen kann: ein Ideal, das Folgen für jeden hat, der es zu ernst nimmt.

Ob berufsbedingt oder im privaten Leben, wer hilft, setzt seine Fähigkeiten gewöhnlich gezielt dort ein, wo Hilfe notwendig ist. Der zwanghafte Helfer hingegen will überall helfen, wo es ihm möglich erscheint. Er hat eine Abhängigkeit von diesem Ideal entwickelt. Zu helfen verschafft ihm das Gefühl, ein besserer Mensch zu sein. Wird seine Hilfe nicht gebraucht, fühlt er sich im Grunde wertlos. Obwohl er seine eigenen Interessen dem Wohlergehen anderer unterordnet, geht es ihm längst nicht mehr darum, fremde Lebensumstände zu verbessern. Der Akt des Helfens wird für ihn zum Mittel, den eigenen Selbstwert zu steigern. Dass sein Wohlbefinden davon abhängt, ist ihm jedoch kaum bewusst. Viel häufiger findet er sich in dem Glauben bestärkt, dass jene, die seine Hilfe annehmen, von ihm abhängig sind. Das verleiht ihm zudem Macht, hindert ihn daran, menschliche Schwäche zu zeigen, die eigenen psychischen und körperlichen Grenzen zu erkennen und zu begreifen, wie sehr auch er diese Menschen braucht.

… und erhalten dafür Anerkennung

Wer sich anderen auf solche Weise aufopfert, handelt also durchaus eigennützig. Er sucht nach einem besseren Selbst, auf das er letztlich stolz sein kann und er sucht Anerkennung, zumindest aber die Aufmerksamkeit seiner Umwelt. Vom Glanz des heldenhaften Helfers bekommt er nur allzu leicht etwas ab, sind sich doch viele Menschen anderer Berufsgruppen einig darüber, dass sie das (einen Sozialberuf ausüben) nicht könnten: Eine Bewunderung, die durchaus angebracht ist, im Fall eines ausgeprägten „Helfer-Syndroms“, das zu Burn Out und Depressionen führt, aber nur den krankhaften Zwang zum guten Handeln bestärkt.
Betroffene müssen vor allem lernen, ihr Selbstvertrauen nicht nur aus ihrer Tätigkeit zu beziehen und sich selbst wertzuschätzen, ungeachtet der Dankbarkeit und Anerkennung, die sie von anderen erfahren. Ideale hochzuhalten und fremde Anerkennung zu finden, mögen zwar wichtige Anliegen jedes Menschen sein, allzu Menschliches geht jedoch selten daraus hervor.

Autorin: Angelika Stallhofer
 

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